Der Hallux valgus ist die häufigste Fehlstellung der Großzehe bzw. des ersten Strahls. Der erste Mittelfußknochen ist vom zweiten abgespreizt und wölbt sich nach innen vor. So entstehen die Begriffe Ballenzeh oder Spreizfuß. Bei ausgeprägten Fehlstellungen ist die Großzehe auch verdreht. Der Nagel ist in diesen Fällen nach innenseitig gerichtet.
Warum entsteht der Hallux valgus?
Es gibt mehrere Theorien bzgl. der Ursachen, eine davon ist die Hypermobilität des ersten Strahls (Vid.1 und 2).
Video 1. Vertikale TMT 1-Instabilität bei ausgeprägtem Hallux valgus.
Video 2. Horizontale (1. Teil) und vertikale TMT 1-Instabilität (2. Teil).
Am leichtesten lässt sich dieses durch einen Vergleich des menschlichen mit dem Primaten-Fuß erklären. Der Affe kann mit dem Fuß greifen, weil seine Großzehe opponierbar ist. Das bedeutet, das erste Zehenwurzelgelenk (Tarsometatarsal-Gelenk, TMT) erlaubt eine Drehbewegung. Der menschliche Fuß hat diese Fähigkeit durch die Evolution verloren. Beim Menschen ist das Gelenk unter Belastung steif und dient lediglich der Gewichtsverlagerung.
Vergleich eines Gorilla-Fußes mit einem menschlichen Fuß mit Hallux valgus-Fehlstellung. © https://lmy.de/dKibV
Bei Füßen mit Hallux valgus blieb diese Fähigkeit mehr oder weniger erhalten. Also ist die Anfälligkeit zur Entwicklung des Hallux valgus angeboren. Bereits im Kindesalter kann diese Fehlstellung beobachtet werden. Die Fehlstellung wird auch vererbt. Man kann in manchen Familien diese Fehlstellung oft über Generationen beobachten.
Frauen sind deutlich häufiger davon betroffen (bis zu 15-mal mehr als Männer). Der Grund dafür konnte noch nicht geklärt werden.
Wie kann man den Hallux valgus verhindern?
Wie bereits beschrieben, ist die Anfälligkeit zur Entwicklung eines Hallux valgus angeboren. Die einzige Möglichkeit zur Vorbeugung wäre eine Aufhebung der Drehfähigkeit des Tarsometatarsal-Gelenks. Solche Möglichkeiten stehen aber leider nicht zur Verfügung. Bandagen, Orthesen oder Zehenspreizer können eine temporäre Linderung bewirken, können einen Hallux valgus jedoch nicht verhindern oder ein Fortschreiten der Fehlstellung stoppen.
Welche Beschwerden haben Patienten mit Hallux valgus?
Am häufigsten werden Schmerzen durch Reibung des vorgewölbten Ballens am Schuh beklagt. Es entstehen Druckstellen und manchmal Schleimbeutelentzündungen.
Durch die Fehlstellung wird die Gewichtsaufnahmefunktion des Fußes gestört. So bilden sich schmerzhafte Schwielen das Gewicht wird von den kleineren und dafür weniger geeigneten Strahlen getragen (med. Transfermetatarsalgie). Manchmal können sogar Ermüdungsbrüche entstehen.
Die nach außen gerichtete Großzehe zwingt die kleinen Zehen in die Beugung und so entwickeln sich mit der Zeit Krallen- und Hammerzehen. Die zweite Zehe wird nach oben gedrängt, unter dem ständigen Druck können die Bänder des Grundgelenkes reißen (Ruptur der plantaren Platte). Dadurch kugelt das Gelenk aus und die zweite Zehe wandert nach innen (sog. Reiterzehe oder Digitus secundus superductus). Alle diese Fehlstellungen bereiten den Patienten große Schmerzen.
Sekundäre Fehlstellungen der kleinen Zehen bei Hallux valgus
Welche Untersuchungen sind bei Hallux valgus notwendig?
Zur Diagnosestellung benötigt man lediglich eine klinische Untersuchung. Ein erfahrener Untersucher gewinnt hierbei wichtige Informationen über das Ausmaß der Fehlstellung, die Beweglichkeit des Großzehengrundgelenkes und ggf. Zeichen der Arthrose, die Überbeweglichkeit des ersten Strahls, Kleinzehenfehlstellungen. Außerdem erhält man durch die klinische Untersuchung wichtige Informationen über eine eventuelle Operation: die Qualität der Durchblutung, Zeichen für Empfindungsstörungen (Polyneuropathie), Fehlstellungen des Rückfußes (z.B. Knick-Senkfuß, Achillessehnenverkürzung usw.).
Eine Röntgen-Untersuchung des Fußes unter Belastung (im Stehen) gibt weitere wichtige Informationen zur Wahl der Operationsmethode. Eine gleichzeitige Großzehengrundgelenksarthrose ändert z.B. vollständig die Vorgehensweise. Verschiedene Winkel werden auf dem Röntgenbild gemessen, um das Ausmaß der Fehlstellung festzustellen. Dementsprechend können dann die operativen (invasiven) Techniken z.B. für einen schweren Hallux valgus angepasst werden. Das Vorhandensein eines Knick-Senkfußes muss auch in die operative Strategie mit einbezogen werden, dieser macht eine Korrektur notwendig.
Welche nicht operativen Behandlungen stehen für Hallux valgus zur Verfügung?
Das Tragen von Schuhen, die dem Fuß ausreichend Platz bieten, reduziert die Reibung. Ebenfalls können Silikonspreizer angefertigt werden, hierdurch die krummen Zehen in eine Silikonmasse gebettet und sind vor Reibung geschützt. Selbstverständlich korrigieren diese aber nicht die Fehlstellung.
Nachtlagerungsschienen, Bandagen oder Orthesen halten die Großzehe gerade, jedoch werden diese als unangenehm empfunden und daher selten toleriert. Auch diese korrigieren die Fehlstellung nicht.
Die Transfermetatarsalgie kann durch angefertigte Schuheinlagen gelindert werden. Hierbei werden die kleinen Mittelfußköpfchen durch eine sogenannte retrokapitale Pelotte gehoben und der Untergrund durch eine Weichbettung erweicht.
Verschiedene physiotherapeutische Behandlungen v.A. die sog. Spiraldynamik haben gute Ergebnisse gezeigt. Eine eingeschränkte Verfügbarkeit geschulter Therapeuten ist leider ein großes Hindernis. Hier sind jedoch noch mehr Studien notwendig, um den Stellenwert dieser Methode festzulegen.
Welche Hallux valgus Ops werden durchgeführt?
Eine operative Versorgung ist der einzige Weg, die Fehlstellung dauerhaft zu korrigieren und die Schmerzen dauerhaft zu lindern. Es wurden bisher über 100 Operationstechniken beschrieben. Jahrelange Erfahrung durch über 1000 Korrekturen erlaubte die Entwicklung eines Indikationsalgorithmus zum Erreichen der besten Ergebnisse.
In unserer Klinik wird der Hallux valgus nur bei Erwachsenen operiert. Bei heranwachsenden Kindern ist die Rezidivrate viel zu hoch.
Es werden möglichst alle Fehlstellungen in einer Operation korrigiert. So werden Kleinzehenfehlstellungen adressiert (s. minimalinvasive Kleinzehenkorrektur) und ebenfalls relevante Rückfußdeformitäten.
Alle Hallux valgus-Operationen werden durch Knochenumstellungen korrigiert. Eine alleinige weichteilige Korrektur ist nicht ausreichend, die Großzehe gerade zu halten.
Ein geringer bis mittelgradiger Hallux valgus wird minimalinvasiv korrigiert (s. minimalinvasive Chevron/Akin-Osteotomie, MICA). Für die ausgeprägte Ballenzehe steht die Lapidus-Arthrodese zur Verfügung. Bei langjähriger Fehlstellung verschleißt das Gelenk. In diesem Fall kann nur die Großzehengrundgelenksversteifung (med. Arthrodese) eine Linderung der Schmerzen bringen.
Wie sind die Ergebnisse nach Hallux valgus Korrektur?
Kann sich die Fehlstellung nach der Operation zurückbilden?
Das häufigste Problem nach Hallux valgus-Korrekturen ist eine Rückkehr der Fehlstellung (med. Hallux valgus Rezidiv). Dieses ist in den meisten Fällen abhängig vom Operateur bzw. von der Wahl der OP-Methode und deren technischer Durchführung. Die Rezidivrate erreicht in manchen nicht spezialisierten Einrichtungen bis zu 30-50%.
Durch die Wahl einer geeigneten Operationsmethode und korrekter Durchführung kann eine komplette Korrektur in über 95% der Fälle dauerhaft erreicht werden.
Das unmittelbare postoperative Ergebnis kann sich noch in einem geringen Ausmaß im ersten Jahr nach der Operation verändern, die Großzehe kann z.B. leicht nach außen (ca. 5°) wandern.
Werde ich die Großzehe danach normal bewegen können?
Eine gewisse Bewegungseinschränkung des Großzehengrundgelenkes kann nach Hallux valgus Korrekturen bestehen. Offene Korrekturen im Gelenk führen zu Vernarbungen oder manchmal zur Beschädigung des Gelenkes und verursachen eine Gelenksteife. Bei sorgfältiger Operationstechnik ist diese aber klinisch nicht relevant. Bei minimalinvasiven Korrekturen wird die Operation außerhalb des Gelenkes durchgeführt, demzufolge bleibt das Gelenk beweglich.
Vid.1: Beweglichkeit des Großzehengrundgelenks 12 Monate nach Hallux valgus-Korrektur durch Lapidus-Arthrodese. Das Video wurde während der Vorstellung zur Planung der Korrektur des anderen Fußes aufgenommen.
Kann man die Operation beidseits durchführen?
Eine gleichzeitige Versorgung beider Füße kann bei minimalinvasiver Technik durchgeführt werden. Man muss einerseits zwar mit einer leicht längeren Genesungszeit rechnen, andererseits bedeutet das für den Patienten aber nur eine Narkose und nur eine Ausfallzeit.
In welchem Abstand kann man den anderen Fuß operieren?
Bei zweizeitigen Korrekturen der beiden Füßen empfehlen wir die zweite Operation dann durchzuführen, wenn der erste Fuß komplett geheilt ist und keine Probleme (z.B. Schwellung) mehr bereitet. Die meisten Patienten wünschen dies nach ca. einem Jahr. Sie möchten zunächst wieder Arbeiten gehen und den Eingriff durchführen lassen, wenn es die berufliche Situation wieder erlaubt.
Wenn es sich um sehr ausgeprägt schmerzhafte Fehlstellungen handelt, kann nach ca. 12 Wochen die zweite Operation erfolgen.
Fallbeispiele für Hallux valgus-Korrekturen
Lapidus Arthrodese
Ausgeprägter Hallux valgus
Lapidus Arthrodese
Hallux valgus et Metatarsus adductus
GGG Arthrodese
Hallux valgus bei rheumatoider Arthritis
GGG-Arthrodese
Hallux valgus und Reiterzehe
GGG Arthrodese
Hallux valgus und Reiterzehe
Lapidus Arthrodese
Hallux valgus et Digitus valgus