Wie der Name eindeutig ankündet, handelt es sich um Fußfehlstellungen mit Belastung auf der Fußspitze bzw. auf dem Vorfuß. Dies führt zu schmerzhaften Beschwielungen, Gangbildstörungen und Beinlängeunterschiede. Es gibt viele Spitzfußarten. Die Symptomen sind zwar gleich, aber die Behandlung richtet sich nach der Ursache und ist unterschiedlich.
INHALTE: Beschreibung • Klassifikation • Symptome • Diagnose • konservative Therapie • operative Therapie • Fallbeispiele
Wie sieht ein Spitzfuß aus?
Nicht nur der Spitzfuß (med. Pes equinus) wird durch Belastung des Vorfußes und fehlender Fersen-Bodenkontakt gekennzeichnet. Auch bei Klumpfuß (med. Pes equinovarus) oder Hohlfuß (med. Pes cavovarus) findet man diese Merkmale.
Der Spitzfuß betrifft lediglich das obere Sprunggelenk (OSG), welches maximal plantar flektiert ist. Der Klumpfuß ist zusätzlich durch eine Neigung der Ferse nach innen gekennzeichnet und ein ausgepräges Fußgewölbe. Beim Hohlfuß wird zwar die Fußspitze überbelastet, jedoch entsteht dies durch eine erhebliche Ausprägung des Fußgewölbes. Mehr über dem Klump- und Hohlfuß in gesonderten Beiträge.
Welche Spitzfuß-Arten gibt es?
Man unterscheidet zwei Spitzfüßgruppen, abhängig davon, ob man eine Neutralstellung (90°) des Sprunggelenkes erreichen kann:
Redressierbarer Spitzfuß
- Physiologischer Zehenspitzengang
Es handelt sich um eine normale Phase in der motorischen Kinderentwicklung. In den ersten 2-3 Jahren läuft jedes Kind eine Weile auf Zehenspitzen. Sobald die Muskulatur kräftig genug ist und das Kind sie besser steuern kann, rollt es den gesamten Fuß ab.
- Habitueller Spitzfuß
Wenn der Zehenspitzengang nach diesem Alter fortbesteht und man keine verursachende neuro-muskuläre Erkrankung feststellen kann, spricht man von einem habituellen Zehenspitzengang. Die Fehlstellung entsteht nur beim Gehen. Im Stehen und im Sitzen berührt die Ferse den Boden. Man kann passiv das OSG gut strecken.
- Funktioneller Spitzfuß
Es handelt sich i.d.R. um Spitzfüße aufgrund einer neuromuskulären Grunderkrankung. Hier zählen die Infantile Cerebralparese (ICP), die Muskeldistrophien usw. Dies Streckmuskulatur ist schwächer und die Wademuskulatur hat einen erhöhten Tonus. Dieses Ungleichgewicht führt zur Spitzfußstellung.
- Fallfuß
Lähmungen der OSG-Streckmuskulatur führen durch die erhaltene Aktivität der Wadenmuskulatur zu einer spitzfuß-ähnlichen Stellung. Ursachen sind Bandscheibenvorfälle oder Verletzungen der Nerven der vorderen Unterschenkelmuskelgruppen
- Kompensatorischer Spitzfuß
Beinlängenunterschiede führen zu einer Gangbildstörung. Um ein Hinken zu vermeiden, läuft der Patient automatisch auf der Zehenspitze des kürzeren Beines.
Manche Patienten mit ICP entwickeln eine Verkürzung der Kniebeuger-Muskulatur und das Knie kann nicht mehr komplett gestreckt werden. Patienten merken, dass das Laufen auf Spitzfüßen stabiler und weniger energiebedürftig ist. Oft werden die Ursache dieser Spitzfüße falsch interpretiert und unnötige Achillessehnenverlängerungen durchgeführt.
Fixierter Spitzfuß
- Achillessehneverkürzung
Durch eine Verkürzung der Wadenmuskulatur kann das Sprunggelenk passiv nicht mehr gestreckt werden. Im Anfangsstadium kann das OSG über 90° gestreckt werden, wenn das Knie gebeugt ist (Verkürzung des M. gastrocnemius). In fortgeschrittenem Stadium bleibt die Spitzfuß-Fehlstellung auch wenn das Knie gebeugt ist (Verkürzung des M. gastrocnemius und soleus).
- Knöcherner Spitzfuß
Bei manchen Verschleißerscheinungen des OSG bilden sich im vorderen Anteil des Gelenkes knöcherne Ausziehungen (med. Osteophyte), die die Streckung verhindern.
- Hohlfuß
Wie bereits erwähnt, läuft der Patient mit Hohlfuß zwar auf Zehenspitzen, jedoch handelt es sich um keine Fehlstellung im OSG, sondern im Mittelfußbereich und USG. Man nennt dies Vorfuß-Spitzfuß. Diese Fehlstellung benötigt andere Behandlungskonzepte als beim Pes equinus.
- Klumpfuß
Der Pes equinovarus ist auch eine komplexe Fehlstellung. Die Verkürzung der Wadenmuskulatur ist nur ein Teil davon und diese Fehlstellung benötigt ebenfalls spezielle Behandlungsmethoden.
- Postoperativer Spitzfuß
Auch nach Operationen kann sich als Komplikation eine Spitzfußstellung entwickeln. Eine klassische Situation ist die OSG-Versteifung in Spitzfußstellung.
Welche Beschwerden haben Patienten mit Spitzfüßen?
Durch die Reduktion der Belastungsfläche kommt es zu einer vermehrten Belastung auf eine kleine Fußsohlenfläche. Der Körper reagiert durch Bildung von Schwielen.
Die Füße sind zu Umknickereignisse anfällig und Patienten leiden wiederholte Außenbandrisse.
Das Laufen auf Zehenspitzen ist sehr energiebedürftig und Patienten klagen über vorzeitiger Müdigkeit.
Wie wird der Spitzfuß diagnostiziert?
Untersuchung und klinische Teste
Bereits durch Beobachtung des Gangbild fällt die fehlende Abrollung auf. Der Erstkontakt mit dem Boden erfolgt im Vorfuß- und nicht im Fersenbereich.
Die Untersuchung der OSG-Beweglichkeit erfolgt im Liegen mit dem Knie des Patienten gestreckt. Dabei wird der Fuß im Sprunggelenk gestreckt. Das normale OSG erlaubt eine Streckung von ca. 20-30° bei Kindern und 10° bei Erwachsenen.
Unterhalb dieser Werte spricht man von einem Spitzfuß. Um herauszufinden, ob es sich um eine redressierbare Fehlstellung handelt, wird der Silfverskiöld-Test durchgeführt. Das Knie wird gebeugt und das OSG gestreckt. Wenn die Streckung verbessert im Vergleich mit dem Test in Kniestreckstellung, handelt es sich um eine Verkürzung des M. gastrocnemius und normale Länge des M. soleus. Wenn die Streckung sich nicht verbessert, spricht man von einem fixierten Spitzfuß.
Neurologische Untersuchung
Wie bereits erwähnt, ist der Spitzfuß oft Folge einer Nervenstörung. Durch klinische Untersuchung sowie durch Nervenleitgeschwindigkeitsmessung kann die Nervenfunktion getestet. Fehlende oder steigerte Muskelreflexe geben auch Hinweise dafür. Dies ist der Domäne der Neurologie.
Röntgen-Untersuchung
Diese Untersuchung ist unerlässlich. Es werden ausschließlich Röntgen-Bilder unter Belastung durchgeführt. Zur Abklärung werden vier Ebenen benötigt (Fuß von vorne und seitlich, sowie Sprunggelenk von vorne und hinten – sog. Salzmann-Aufnahme).
Man kann dadurch die Spitzfuß-Arten unterscheiden und das Ausmaß der Fehlstellung quantifizieren. Man kann den Spitzfuß auch von anderen Fußfehlstellungen wie der Klump- oder Hohlfuß differenzieren.
Schichtbild-Diagnostik (CT, MRT)
Dreidimensionale bildgebende Untersuchungen wie die Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) sind selten erforderlich. Lediglich beim knöchernen Spitzfuß kann ein CT zusätzliche Informationen bzgl. der Lokalisation der Osteophyten und zur OP-Planung bringen.
Gangbildanalyse
Vor allem bei Patienten mit ICP benötigt man eine komplette Analyse der Beweglichkeit aller Gelenke und des Gangbildes. Diese Untersuchung gibt Informationen über dem Ausmaß der Gelenkbeweglichkeit, Muskelfunktion, funktionelle Beinlänge usw.
Wie behandelt man ein Spitzfuß?
Die Behandlungsstrategien richten sich nach der Ursache. Man erzielt die Verbesserung der OSG-Beweglichkeit. Wenn dies nicht erreicht werden kann, erzielt man die Änderung der Sprunggelenksstellung zu einer Neutralposition von 90°.
Physiotherapie
Durch Dehnübungen der Wadenmuskulatur kann man in manchen Fällen die Streckfähigkeit des OSG verbessert werden. Oft müssen solche Therapieeinsätze mit erhaltenden Maßnahmen (z.B. Orthesenversorgung) kombiniert werden.
Botulinum-Toxin +/- Redressierbare Gipse
Bei Patienten mit neuro-muskuläre Erkrankungen (z.B. ICP) kann der Muskeltonus durch den Infiltrationen von Botulinum Toxin reduziert werden. Das Gelenk wird gestreckt und im Gipsverband ruhiggestellt. dadurch wird eine ständige Dehnung der Muskulatur ausgeübt. Durch wöchentliche Gipswechsel wird eine progressive Verlängerung der verkürzten Muskeln erreicht. Das Ergebnis muss durch Orthesenversorgung gesichert werden.
Orthesen
Orthesen sind äußere Vorrichtungen, die nach Maß angefertigt werden. Man kann damit Gelenke stabilisieren und Fehlstellungen korrigieren. Beim Spitzfuß wirken Tagorthesen zum Stabilisierung des OSG in Neutralposition. Durch Einbau eines Gelenkes oder kann man die Plantarflexion verhindern und die Dorsalextension erlauben. Mittels einer Feder kann man das OSG strecken und z.B. bei einem Fallfuß für die fehlende Funktion der Streckmuskulatur kompensieren.
Nachtlagerungsschienen werden angefertigt, um Verkürzungen der Wadenmuskulatur vorzubeugen und während des Schlafens Dehnung auszuüben.
Orthopädische Schuhe
Diese Schuhe werden nach Maß angefertigt und können durch den Einsatz einer Absatzerhöhung eine Normalisierung der Fußsohlenbelastung anbieten. Von dieser Verbesserung profitiert der Patient selbstverständlich nur wenn die Schuhe getragen werden. Diese Therapie ist aktuell zumutbar nur bei nicht operable Patienten, oder welche die eine Operation ablehnen. Durch eine operative Korrektur kann der Patient auch barfuß laufen.
Welche Operationen werden bei Spitzfuß durchgeführt?
Verlängerung der Wadenmuskulatur
Diese Operationen werden bei fixiertem Spitzfuß durch Verkürzung des M. triceps surae durchgeführt. Je nachdem wie viel man verlängern muss und welche Anteile des Muskels verkürzt sind, kann man mehrere Methoden einsetzen.
Bei Verkürzungen der M. gastrocnemius-Komponente wird die Muskelfaszie (med. Aponeurose) durchtrennt. Dies wird minimalinvasiv durch einen kleinen Schnitt durchgeführt: OP nach Strayer oder nach Baumann.
Bei Patienten mit ICP ist der Muskel bereits durch die Grunderkrankung schwach. Um eine zusätzliche Schwächung durch den operativen Eingriff zu reduzieren erfolgt die Verlängerung durch die Durchtrennung der im Muskelbauch befindlichen Muskelsepten: instramuskuläre Verlängerung des M. triceps surae.
Die potenteste Methode ist die Achillessehnenverlängerung. Hier wird die Achillessehne “Z”-förmig durchtrennt und die versetzten Sehnenenden zusammengenäht. Dadurch wird das Verhältnis Muskel:Sehne verringert und der M. triceps surae geschwächt. Diese Technik wird nur für die ausgeprägtesten Fällen vorbehalten.
Sprunggelenksversteifung
Bei OSG-Arthrose mit Spitzfußstellung werden die Gelenkflächen gerade reseziert und das Gelenk in 90°-Stellung mit Schrauben und Platte versteift (med. OSG-Arthrodese)
Ventrale Hemiepiphysiodese der distalen Tibia
Bei Kindern mit ICP und fixierter Spitzfußstellung durch Verkürzung der Wadenmuskulatur besteht die Indikation zur Verlängerung des Triceps surae. Bei diesen Patienten ist der Muskel bereits geschwächt und man bevorzugt die Fehlstellung lieber knöchern zu korrigieren, um die restliche Muskelkraft zu schonen. Dies kann bei wachsenden Kindern durch eine sog. Wachstumslenkung erfolgen (med. ventrale Hemiepiphysiodese der distalen Tibia). Das Wachstum wird im vorderen Anteil der Wachstumsfuge durch das Einbringen einer Klammer blockiert. Das untere Anteil des Schienbeins wächst demzufolge nur im hinteren Anteil und die Spitzfußstellung wird korrigiert. Nach dem erreichen der Neutralstellung wird die Klammer entfernt.
Sonstige Spitzfuß-Korrekturen
Beim Fallfuß wird die gelähmte Streckmuskulatur durch Versetzung der M. tibialis posterior Sehne ersetzt (med. Steigbügelplastik).
Bei in Spitzfußstellung verheilten Sprunggelenksversteifungen muss im Versteifungsbereich ein knochenkeil reseziert werden und das Gelenk in Rechtwinkel versteift werden.
Der Klumpfuß und der Hohlfuß benötigen komplexe Korrekturen. Diese werden gesondert vorgestellt.
Im Falle eines kompensatorischen Spitzfußes bei ICP mit Kniebeugerkontraktur wird die Kniestellung korrigiert und dadurch erreicht man automatisch eine korrekte Stellung der Sprunggelenkes. Bei Beinlängendifferenz werden die Beine entweder durch eine Schuherhöhung oder operativ ausgeglichen. Zu diesem Zweck kann bei der Wachstum bei wachsenden Kindern des längeren Beines gebremst werden (med. Epiphysiodese) oder wird eine Verlängerung der kürzeren Seite durchgeführt.
Fallbeispiele Spitzfußkorrektur
OSG-Korrekturarthrodese
Sprunggelenkversteifung mit Spitzfuß-Stellung