Der Begriff Malum perforans steht für eine chronische Wunde oder Fußsohlen-Geschwür bei Patienten mit Polyneuropathie. Durch Eintrittspforten dringen Bakterien in den Fuß ein und können schwere eitrige Entzündungen verursachen. Oft führt der Verlauf dieser Erkrankung zu einer Amputation des Beines.
Dieser Text wurde nach bestem Wissen und Gewissen nach aktuellem wissenschaftlichen Stand zu Aufklärungszwecken bereitgestellt. Er dient der medizinischen Aufklärung und nicht zur Selbstdiagnose. Er ersetzt keine Vorstellung bei einem Facharzt.
INHALTSVERZEICHNIS
Was ist eine Polyneuropathie?
Die Polyneuropathie ist eine Krankheit gekennzeichnet durch den Verlust des Empfindens an den Füßen. Dies entsteht am häufigsten bei Patienten mit Diabetes mellitus, Alkoholabusus und nach Chemotherapie.
Wie entsteht das Malum perforans bei Polyneuropathie?
Ein Ulkus entsteht durch eine lange Überbelastung auf einer reduzierten Fläche der Fußsohle aufgrund des fehlenden Schmerzempfindens. Der Druck kann von außen (z.B. Fremdkörper im Schuh) oder von innen (z.B. Fußfehlstellung) entstehen.
Wie teilt man die Fußgeschwüre ein?
Die gebräuchlichste Klassifikation des Malum perforans ist die Wagner/Armstrong-Klassifikation. Andere bekannte Klassifikationen sind SINBAD, PEDIS u.a.
Welche Untersuchungen werden bei Malum perforans durchgeführt?
Ein diabetischer Fuß mit Malum perforans wird einer standardisierten Untersuchung unterzogen. Diese beinhaltet: die Ursachensuche, das Polyneuropathie-Screening, Verschlußblutdruckmessung, Röntgen, Labor, Evaluation des Schuhwerks.
Wie behandelt man das Malum perforans?
Das Malum perforans wird in einem interdisziplinären Team behandelt. Dies beinhaltet: Antidiabetika-Optimierung, Durchblutungsverbesserung, Entlastung, Ursachenbehebung, Infektsanierung, Wundbehandlung, Schuhversorgung.
Fallbeispiele mit Malum perforans
Fälle unserer Patienten mit Malum perforans.
Was ist eine Polyneuropathie?
Der Fuß ist ein wichtiges Empfindungsorgan. Die Fußsohlenhaut verfügt über Nervenäste, die sehr differenzierte Informationen an das Gehirn schicken, z.B. auf welchem Untergrund wir uns bewegen (kalt/warm, glatt/rau, rutschig/standfest). Eine der wichtigsten Empfindungen ist die Schmerzempfindung. Diese ist ein wichtiger Abwehrmechanismus. Wir bemerken z.B. sofort, wenn sich ein Steinchen im Schuh befindet und können es entfernen , bevor es Schäden an unseren Füßen anrichtet.
Bei bestimmten Erkrankungen ist die Funktion dieser Nerven beeinträchtigt. Oft handelt es sich um eine langsame Aufhebung der Nervenfunktion und im fortgeschrittenen Stadium um einen kompletten Ausfall. Der Patient verliert also seinen wichtigsten Abwehrmechanismus für seine Füße.
Die häufigsten Ursachen für Polyneuropathie sind:
- Diabetes mellitus
- Chronischer Alkoholismus
- Chemotherapie
Oft kann man aber keine Ursache dafür finden und die Diagnose wird erst mit der Bildung eines Malum perforans gestellt.
Wie entsteht das Malum perforans bei Polyneuropathie?
Sobald die Sensibilität der Fußsohle aufgehoben ist, können übermäßige punktuelle Fehlbelastungen die Haut beschädigen und Geschwüre verursachen. Diese Überbelastungen können von außen entstehen (z.B. ein Fremdkörper im Schuh, siehe oben) oder von innen (z.B. eine Fußfehlstellung, oder Zehenfehlstellung, siehe unten).
Wie teilt man die Fußgeschwüre ein?
Die gängigste Klassifikation für das Malum perforans ist die Wagner/Armstrong-Klassifikation. Diese gibt Informationen über die Tiefe des Geschwürs und über die Vorlage einer Infektion oder einer Durchblutungsstörung. Anhand dieser Klassifikation kann man entscheiden, wann ein Patient ins Krankenhaus verwiesen werden soll oder wann er ambulant behandelt werden kann. Mit dieser Klassifikation kann die Prognose eingeschätzt werden.
Die Wagner/Armstrong-Klassifikation beinhaltet keine Angaben über der Lokalisationen der Fußwunden (z.B. Fersenwunden sind komplizierter als Vorfußwunden). Dies wird in der SINBAD Klassifikation berücksichtigt.
Wagner-Klassifikation: die Wundtiefe
- Grad 0: drohende oder stattgehabte Wunde
- Grad I: oberflächliche Wunde
- Grad II: tiefe, bis zur Gelenkkalpsel oder Sehne reichende Wunde
- Grad III: mit Knochen- oder Gelenkbeteiligung
- Grad IV: mit Nekrose von Fußteilen
- Grad V: mit Nekrose des gesamten Fußes
Armstrong-Klassifikation: komplizierende Faktoren
- Grad A: ohne Infektion und Ischämie
- Grad B: mit Infektion
- Grad C: mit Ischämie
- Grad D: mit Infektion und Ischämie
Jede Wunde wird ein Grad jeder Klassifikation zugeteilt und wird so nach einem der folgenden Stadien klassifiziert:
Welche Untersuchungen werden bei Malum perforans durchgeführt?
Die Ursachensuche
Die Suche nach den auslösenden Faktoren ist für eine erfolgreiche Behandlung essentiell. Hier sind die Optimierung der antidiabetischen Therapie und/oder Unterbrechung der verursachenden Gifte wichtige Faktoren, um zur Heilung beizutragen.
Polyneuropathie-Screening
Wie wird eine Polyneuropathie diagnostiziert?
Viele Patienten mit Polyneuropathie glauben, dass Ihr Gefühl in den Füßen nicht beeinträchtigt ist. Aus diesem Grund werden objektive Untersuchungsmethoden benötigt.
Das Berührungsempfinden wird mittels 10 g Weinstein-Semmes Monofilament getestet. Dieses wird auf die Fußsohlenhaut angedrückt bis es sich biegt. Der Patient hält während der Untersuchung die Augen geschlossen und muss die Stelle und die Seite unverzüglich benennen.
Das Vibrationsempfinden wird mit der auf dem Innenknöchel angelegten Rydel-Stimmgabel getestet. Diese wird vibrierend angelegt und der Patient muss angeben, wenn er die Vibration nicht mehr spürt.
Die Bein-Durchblutung
Die sogenannten Verschlußblutdrücke der Beine werden mit einem speziellen Gerät gemessen und mit dem am Arm gemessenen Blutdruck verglichen. Mit diesen Werten wird der sog. ABI-Index (Arm-Bein-Index) gemessen. Dies ist ein spezieller Parameter zur Beurteilung der Durchblutungsstörungen.
Praktisch wird der Blutdruck an jedem Bein durch den Wert am Arm geteilt. Der Wert wird wie folgt beurteilt:
- < 0,8 – Durchblutungsstörung.
- 1 – Normalwert
- > 1,2 – falsch Normalwert (Mediasklerose)
Mittels einer Doppler-Sonographie kann man die Pulskurve darstellen und dadurch extrem sensibel Durchblutungsstörungen auch bei Patienten mit normalen ABI-Werten identifizieren. Eine triphasische Pulskurve deutet auf eine normale Durchblutung hin. Eine monophasische Kurve deutet auf eine Durchblutungsstörung hin.
Daraufhin erfolgt eine Untersuchung der Beinarterien mit Kontrastmittel (med. Feinnadel-Angiographie). Bei dieser Methode wird ein Katheter in das Gefäß eingebracht und unter Röntgen das eingespritzte Kontrastmittel dargestellt. Engstellen oder komplette Verstopfungen der Gefäße können direkt beurteilt und lokalisiert werden. In gleicher Sitzung kann auch die Therapie durch Erweiterung der Gefäße erfolgen.
Fehlstellungen
Wie bereits erwähnt, kann ein Knochen durch Fehlstellungen Überbelastungen verursachen. Röntgen-Aufnahmen des Fußes unter Belastung sind essentiell. Die Korrektur solcher Fehlstellungen muss obligat in das Behandlungskonzept eingefügt werden.
Infektdiagnostik
Durch offene Stellen treten Bakterien ein. Manchmal führen diese Bakterien zu eitrigen Entzündungen in den Weichteilen (med. Abszesse). Sie können sogar Knochen und Gelenke befallen (med. Osteitis, Arthritis).
Erhöhungen der Entzündungswerte (CRP, PCT) sowie der Lokalbefund (Rötung, Überwärmung, eitrige Sekretion) deuten darauf hin. In diesen Fällen werden Schichtbilduntersuchungen (MRT und/oder CT) durchgeführt.
Bei Nachweis einer Infektion ist die Identifizierung des verursachenden Keims extrem wichtig, um eine effiziente antibiotische Therapie durchführen zu können. Zu diesem Zweck wird Gewebe aus der Tiefe entnommen und im Labor untersucht. Die Entnahme einer Probe von der Haut-/Wundoberfläche durch Abstrich ist inkorrekt. Dies weist viele Hautkeime nach und oft nicht den wichtigen Keim. Dieses führt dann oft zu einer unnötigen Verabreichung vieler und starker Antibiotika.
Evaluation des Schuhwerks
Die Inspektion der Schuhe gibt wichtige Informationen für die Therapie. Zuerst wird beurteilt, ob der Patient bisher korrekt mit Schuhen entsprechend seinem Risikoprofil versorgt wurde. Dies gibt Informationen über die bisherige ärztliche Versorgung.
Deformationen und ungleichmäßiger Verschleiß der Schuhe deuten auf eine verursachende Fußfehlstellung hin.
Wie behandelt man das Malum perforans?
Grundmaßnahmen
Bei bekannter Ursache wird eine Optimierung in diesem Bereich durchgeführt: Diabetes-Therapie, Alkoholismus usw.
Einengungen oder Unterbrechungen der Blutströmung (med. periphere arterielle Verschlußkrankheit, pAVK) müssen zwingend behandelt werden. In manchen Fällen können kurzstreckige Einengungen im Gefäß erweitert werden (med. perkutane transluminale Ballonangioplastie, PTA). Anderes gilt wenn die Durchblutung komplett unterbrochen ist. Dann kommen rekonstruktive gefäßchirurgische Eingriffe (z.B. Gefäß-Bypass) zum Einsatz.
Infektbehandlung
Bei Feststellung einer eitrigen Entzündung muss diese chirurgisch saniert werden. Eiteransammlungen, abgestorbenes Gewebe (Nekrose) oder befallene Knochen müssen chirurgisch entfernt werden. Dabei werden Gewebeproben entnommen zur sicheren Identifizierung des verursachenden Keims. So kann man eine sicher wirksame antibiotische Therapie durchführen. Ab dem Stadium Wagner/Armstrong 3C sollte die Antibiose im Krankenhaus stationär intravenös erfolgen.
Infekte bei diabetischem Fußsyndroms werden durch aggressive Keime verursacht. Dies und das gestörte Immunsystem eines Diabetikers zwingen zu besonderer Vorsicht und qualifizierte Therapie zu einer qualifizierten Therapie in einer Behandlungseinrichtung für diabetisches Fußsyndrom.
Fehlstellungkorrektur
Vorgewölbte Knochenanteile im Bereich des Geschwürs müssen entfernt werden. Die präoperative Analyse ist zwingend für eine korrekte Diagnose und Therapie. So können Exostosen entfernt werden. Solche Operationen können mittels Schlüßelloch durchgeführt werden (med. minimalinvasive Exostektomie). Manchmal muss die Fußarchitektur korrigiert werden (z.B. beim Charcot-Fuß).
Entlastung
Nach knöcherner Korrektur hat das Malum perforans beste Voraussetzungen zu heilen. Dafür ist eine gute Blutzufuhr in das Wundbett absolut notwendig. Beste Voraussetzung ist, wenn der Druck im Bereich der Wunde vollständig aufgehoben wird.
Kleine Wunden können durch Ruhigstellung im TCC (Total Contact Cast) entlastet werden.
Für größere Wundflächen und bei Patienten, die Anordnungen verlässlich nicht umsetzen können (z.B. Demenz), kommt ein Fixateur extern (z.B. Ilizarov-Fixateur) zum Einsatz.